Bergbau in der Gemeinde Sinn
Die Lahn-Dill-Region galt lange Zeit als wichtiges Bergbaugebiet, in welchem hauptsächlich Eisenerz, aber, in geringerem Umfang, auch andere Erze und Minerale abgebaut wurden.
Die bergbauliche Geschichte der Gemeinde Sinn ist eher wenig bekannt, dennoch gab es auch hier einige Gruben, die aber im Wesentlichen sehr klein blieben und nur im Stollenabbau (Abbau des Erzes entlang eines Stollens) und nicht etwa im Tiefbau (Förderung mittels eines tiefen Schachtes, um auch tiefe Lagerstätten erreichen zu können) betrieben wurden. Einige dieser Gruben, bei welchen heute noch letzte Relikte an der Oberfläche sichtbar sind, sollen hier vorgestellt werden.
Grube Danielszug
Die Eisenerzgrube Danielszug lag am nordöstlichen Rand der Gemeinde Sinn, in Nähe zum heutigen Friedhof. Schon früh wurde hier oberflächlich Erz abgebaut, wie die zahlreichen Pingen (trichterförmige Vertiefungen im Boden) am Bergrücken zwischen Friedhof und Dietrichstal noch heute zeigen. Später begann wahrscheinlich der Besitzer der Sinner Neuhoffnungshütte Daniel Treupel einen ersten Stollen auffahren zu lassen, daher der Name der Grube. Mit dem Verkauf der Hütte an W.E. Haas sen. ging auch das Grubeneigentum 1854 an diesen. Schon vor 1894 förderte die Grube allerdings nicht mehr. Im Zuge der Autarkiebestrebungen des Dritten Reichs ging das Eigentum an der Grube auf die Buderus’schen Eisenwerke über. Dort wurden alle Berbauinteressen in der Region gebündelt. Der Stollen ist heute verwahrt (zugemauert).
Das Erzlager steht nahezu senkrecht und wird von Kalkstein begleitet. Einige Meter nach dem neuen Stollenmundloch folgt die Verwahrung in Form einer Betonmauer, die gleichzeitig das Wasser aufstaut. Nach etwa 5 m verzweigt sich der Stollen in drei Strecken. Nach rechts folgt ein Hohlraum, der nahezu vollständig verbrochen ist. Geradeaus folgt eine Strecke, die dem Aufschluss eines Lagers dient, mit zwei sehr kurzen (etwa 1 m) Querschlägen (senkrecht abzweigende Strecken) in beide Richtungen. Hier finden sich keine Spuren von Erz. Links folgt die eigentliche Abbaustrecke. Sie folgt dem Erzkörper und verläuft im Wesentlichen sehr genau unterhalb des Bergrückens. Das Erz wurde aufgrund der geringen Überdeckung zur Tagesoberfläche nur bis zur Höhe der Stollenfirste (Firste = Decke des Stollens) abgebaut, damit der Stollen nicht verbricht. Nach weiteren 50 m ist der Stollen verbrochen, laut Riss führt er aber noch deutlich weiter.
Im Jahr 1962 wurde der Stollen an das Wasserversorgungsnetz der Gemeinde Sinn angeschlossen. Dazu wurde ein 70 m³ fassender Sammelbehälter unter der Wiese gegenüber des Parkplatzes des Friedhofs gebaut, an den eine Pumpenkammer angrenzt. Seit 1966 wird die Quelle nicht mehr benötigt und das Wasser wird seitdem in das 1964 neu gebaute Waldschwimmbad gepumpt. Im Jahr 2019 wurden alten Pumpen durch neue ersetzt und die gesamte Steuerung und Elektrik grundlegend erneuert. Der Stollen hat eine durchschnittliche Schüttung von 70 m³ pro Tag. In den letzten Dürresommern hat die Schüttung nachgelassen. Schwankender Niederschlag wirkt sich mitunter erst Monate später auf die Schüttungsmenge aus.
Koordinaten:
50°39’21.5″N 8°20’21.6″E (Stollenmundloch)
Karten:
https://goo.gl/maps/2ym1rXxJdgJBbuRP7 (Stollenmundloch)
Grube Hercules
Die Schiefergrube Hercules wird erstmals 1617 in der Nassauer Chronik erwähnt. Es gibt allerdings noch ältere Belege, die von einer „Schieferkaut bey Synd“ berichten. So gibt es Rechnungen über Reparaturarbeiten aus dem Jahre 1609 und bereits 1454 finden sich Hinweise in den Renteirechnungen über die Grube, die im Besitz der Nassauer Herrschaft war. Beim Umdecken des Wetzlarer Doms, lange vor dem Ersten Weltkrieg, wurde ein Schiefer mit der Inschrift „Dieser Schiefer ist von der Grube Herkules bei Sinn“ gefunden. 1815 ging der Schieferbruch an das Fürstentum Nassau-Dillenburg. 1848 dann an private Hand (u.a. ein Herr von der Heyde aus Sinn). Seit etwa 1885 wurde nicht mehr gefördert, da die Förderung zunehmend schwieriger und damit unrentabler wurde. 1892, also nach der Stilllegung, fand man das Skelett des Herborner Metzgers Pfeiffer, der offenbar auf dem Weg auf die Lemp zum Viehmarkt ausgeraubt und umgebracht wurde.
Der sog. Sinner Lagerzug (reicht im NO bei Niederweidbach bis ins Bergrevier Wetzlar und gegen SW ins Bergrevier Weilburg) ist etwa 10 m mächtig, fällt mit 70 ° recht steil (es steht also fast senkrecht) Richtung SO ein. Die Schieferung wird durch eingelagerte Grauwackebänke gestört, weswegen der Abbau schwierig war. Abgebaut wurde auf einer streichenden Länge von etwa 100 m. Es gab drei Stollen in 20 – 40 m Teufe.
Im Zuge des Wegebaus wurde die vormals immense Halde am Ortsausgang abgetragen, was zu einer Veränderung des lokalen Klimas führte, da nun das ganze Tal von Ostwind durchströmt werden kann.
Im Schiefer findet sich eine Vielzahl an pflanzlichen Fossilien.
Der Tagebau der Grube dient heute dem Schützenverein als Domizil.
Koordinaten:
50°38’55.8″N 8°20’30.1″E (Tagebau und mächtige Halde)
Karten:
https://goo.gl/maps/KtUFRu99QM74Ggn59 (Tagebau und mächtige Halde)
Grube Stübchen
Die Eisenerzgrube Stübchen lag im oberen Lennelbachtal in direkter Nachbarschaft zu weiteren Gruben. Überliefert sind zwei Stollen, ein höher liegender „Alter Stollen“, der heute verbrochen und nicht mehr sichtbar ist, sowie ein „Neuer Stollen“, der einige Meter tiefer ansetzt und heute der Wasserversorgung des Waldschwimmbades dient. Außerdem liegen zwei weitere Stollen in diesem Flurstück, die wahrscheinlich ebenfalls zur Grube Stübchen gehörten. Die Grube weißt eine sehr wechselhafte Geschichte auf. Die erste Verleihung (Erlaubnis zur Gewinnung der im Feld vorhandenen Rohstoffe) ist auf das Jahr 1863 datiert. Heinrich Weißgerber aus Dortmund und sein Vertreter Alexander Stiehl aus Dillenburg werden als Eigentümer genannt, wobei ersterer Miteigentümer der „Hüttenactiengesellschaft Leopold“ war, die auch eine Eisenhütte in Haiger betrieb. Die Gesellschaft geriet bald in wirtschaftliche Schwierigkeiten und so wurde 1873 ein Teil des Besitzes (inkl. des Grubenfeldes Stübchen) an den Rittergutsbesitzer Theodor Schulze-Dellwig zu Haus Sölde und den Bankier Johann Karl Schemann aus Hamburg verkauft. 1874 wurde ein Pfandrecht über die Grube Stübchen und 36 weitere Gruben über 206.666 Reichthaler und 20 Silbergroschen zu Gunsten des Solicitors (Rechtsanwalt) James Crowty und des Oberst Charles Wynne zu London bestellt. 1875 wird die Grube schließlich Henry John Trotter Esquire von Temple zu London, Charles Philipp Cotton (Civil-Ingenieur der Stadt Dublin) und dem Kohlenbergwerkbesitzer Henry Smith Stobath aus Witton le Wear in der Grafschaft Durham verkauft.
Seit dem Jahr 1908 wurde der Stollen zunächst als Wasserentnahmestollen und später zusammen mit dem an der Weggabelung im Lennelbach liegenden Stollen der Grube Cleopatra für die Wasserversorgung der Gemeinde Sinn genutzt. Heute dient er der Wasserversorgung des Schwimmbades. Vom Stollen aus führt eine etwa 200 m messende Rohrleitung bis zum Sammelschacht vor dem Mundloch der Grube Cleopatra, der heute am Wegrand noch deutlich sichtbar ist. Von diesem Schacht aus führt eine 1 km lange Leitung entlang des Lennelbachs bis zum ehemaligen Hochbehälter unterhalb des Tennisplatzes und von dort ins Waldschwimmbad.
Koordinaten:
50°39’30.2″N 8°20’09.0″E (Hochbehälter)
50°40’03.1″N 8°20’30.2″E (Mundloch Grube Cleopatra)
50°40’03.6″N 8°20’29.9″E (Sammel- und Schieberschacht)
Karten:
https://goo.gl/maps/MYAXiqBbfUzRbCQU6 (Hochbehälter)
https://goo.gl/maps/pTkmSn7auJWVPJYZ8 (Mundloch Grube Cleopatra)
https://goo.gl/maps/o5rAaTrHpwGAuswN7 (Sammel- und Schieberschacht)
Grube Friedrichsgrube
Die Schierfergrube Friedrichsgrube baut ebenfalls auf dem Sinner Lagerzug in direkter Nachbarschaft zu weiteren Schiefergruben. Für 1885 ist eine Verleihung an einen Peter Weber dokumentiert. Der Stollen misst etwa 200 m, vom dem zwei Querschläge (senkrecht abzweigende Strecken) das Lager aufschließen. Ein Teil der Grube steht unter Wasser. Im Zweiten Weltkrieg diente der Stollen als einer der Sinner Luftschutzstollen, was zahlreiche Zeitungen dieser Zeit auf dem Boden belegen. Nachdem das Mundloch für Jahrzehnte verbrochen war, wurde es 2000 aufgewältigt und der Stollen aus Fledermausquartier hergerichtet.
Koordinaten:
50°38’51.1″N 8°20’22.6″E (Stollenmundloch)
Karten:
https://goo.gl/maps/cg3o1sFDvs4D1mRPA (Stollenmundloch)
Grube Christinenruhe
Den Sinnern eher als „Fledermaushöhle“ bekannt, befindet sich die Eisenerzgrube Christinenruhe oberhalb der Vogelschutzhütte im Lennelbachtal in der Nachbarschaft weiterer Gruben. Der Stollen misst etwa 86 m und dient heute als Fledermausquartier. Mehr ist über diese Grube nicht bekannt.
Koordinaten:
50°39’50.2″N 8°20’26.0″E (Stollenmundloch)
Karten:
https://goo.gl/maps/DBK2SFaKRNM7TYUr5 (Stollenmundloch)
Grube Faulegrund
Die Eisenerzgrube Faulegrund stand niemals wirklich in Förderung. Hier wurden nur Untersuchungsarbeiten in einem 3 Lachter (etwa 6 m) tiefen Schacht durchgeführt, von dem eine 1 Lachter (ca. 2 m) lange Strecke aufgefahren wurde. Weitere Aktivitäten hat es nicht gegeben. Noch heute sieht man den verfüllten Schacht mit einem Teil des Aushubes daneben im Boden.
Koordinaten:
50°39’59.9″N 8°20’14.4″E (Reste des Schachtes)
Karten:
https://goo.gl/maps/wbGbe2j7nFEm94ecA (Reste des Schachtes)